Übernahme der Dolmetscherkosten bei Strafverfahren

 

Dolmetscherkosten in Strafverfahren gehen immer zulasten der Staatskasse, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Dies gilt für den gesamten Umfang des Verfahrens, also sowohl im Ermittlungs- wie im Hauptverfahren.

Gespräche mit dem Verteidiger

Nicht nur vor dem Gericht hat ein der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtiger Beschuldigter das Recht auf einen Dolmetscher. Dies gilt auch für vorbereitende Gespräche mit dem Verteidiger, unabhängig davon ob es sich um den Pflicht- oder einen Wahlverteidiger handelt.

Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) und aus Art. 3 III 1 GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland): Jede angeklagte Person hat das Recht auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.

Hierzu existieren bereits folgende Entscheidungen:

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2000
(…) Art. 6 Abs. 3 lit. e räumt dem der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gegeben ist. Einem Angeklagten ist daher nicht allein deswegen ein Pflichtverteidiger beizuordnen, weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht und wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, die Kosten für einen Dolmetscher aufzubringen. (…)
(…) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts räumt Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK dem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 StPO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK gegeben ist; indessen ist es zur Gewährleistung der Unentgeltlichkeit nicht erforderlich, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. (…)
(…) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 23.10.1978 nicht nur festgestellt, dass das in Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK gewährleistete Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers für jedermann, der die Verhandlungssprache des Gerichts nicht spricht oder versteht, den Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers einschließt, ohne dass im Nachhinein Zahlung der dadurch verursachten Kosten von ihm verlangt werden darf. Er hat darüber hinaus auch dargelegt, dass sich dieser Anspruch nicht nur auf den in der Hauptverhandlung tätigen Dolmetscher beziehe, sondern für das gesamte Verfahren gelte und sicherstelle, dass dem sprachunkundigen Angeklagten sämtliche Schriftstücke und mündliche Erklärungen in dem gegen ihn geführten Verfahren übersetzt werden, auf deren Verständnis er angewiesen ist, um ein faires Verfahren zu haben. (…)
(…) Den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen ist der allgemeine Gedanke zu entnehmen, dass nach den Maßstäben der EMRK der Ansprach des der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren es gebieten, ihm nicht nur alle ihm gegenüber vorgenommenen, maßgeblichen schriftlichen und mündlichen Verfahrensakte kostenlos in einer ihm verständlichen Sprache bekannt zu geben, sondern es ihm auch zu ermöglichen, alle von ihm in Ausübung seiner strafprozessualen Rechte abgegebenen mündlichen und schriftlichen Erklärungen unentgeltlich in die Gerichtssprache übertragen zu lassen, soweit dies zur Wahrnehmung dieser Rechte erforderlich ist. Dies folgt aus dem Zweck des Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK, zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK alle Nachteile auszuschließen, denen ein Angeklagter, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Angeklagten ausgesetzt ist. Er hat daher auch keine Kosten zu tragen, die auf einen der Gerichtssprache mächtigen Angeklagten nicht zukommen können; denn diese Mehrbelastung würde nicht nur zu einer Ungleichbehandlung bei der staatlichen Rechtsgewährung führen, sondern wäre auch geeignet, das Verteidigungsverhalten des sprachunkundigen Angeklagten im Hinblick auf eventuelle Kostenfolgen nachteilig zu beeinträchtigen. (…)
(…) Zu den strafprozessualen Rechten des Angeklagten zählt insbesondere seine Befugnis, sich in jeder Verfahrenslage des Beistands eines Verteidigers zu bedienen. Ein des Deutschen nicht mächtiger Angeklagter kann dieses Recht in effektiver Weise nur wahrnehmen, wenn ihm eine Verständigung mit dem Verteidiger möglich ist. Abgesehen von dem besonderen Fall, dass der Verteidiger die Muttersprache des Angeklagten beherrscht, ist hierzu die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich. Mit den hierfür anfallenden Kosten darf der Angeklagte gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK ebenfalls nicht belastet werden. (…)

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.08.2003
(…) 1. Jeder Ausländer hat in Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik dieselben prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche.
2. Einem Beschuldigten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen. Deshalb darf ein fremdsprachiger Angeklagter zum Ausgleich seiner sprachbedingten Nachteile in jedem Verfahrensstadium, also auch im Ermittlungsverfahren, einen Dolmetscher hinzuziehen.
3. Die Forderung nach einem förmlichen Antragsverfahren vor Inanspruchnahme eines Dolmetschers durch den Wahlverteidiger ist mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 III 1 GG nicht vereinbar. (…)
(…) Die hierfür entstehenden Kosten sind dem Freigesprochenen nicht und dem Verurteilten nur ausnahmsweise aufzuerlegen (§ 464 c StPO) (…)
(…) Nach der Entscheidung des BGH vom 26.10.2000 ist es zudem herrschende Auffassung in Rechtssprechung und juristischer Literatur, dass die Dolmetscherkosten nicht nur dem Pflichtverteidiger, sondern auch dem Wahlverteidiger für die erforderlichen Mandantengespräche zu ersetzen sind (…). Die unentgeltliche Beistandsleistung eines Dolmetschers auch für die die
Verteidigung vorbereitenden Gespräche mit seinem Wahl- oder Pflichtverteidiger ist unabdingbar, da eine wirksame Verteidigung und damit ein faires Verfahren ohne vorbereitende Verteidigergespräche kaum denkbar sind. (…)

Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 08.10.2007, OLGAusl. 189/07 (68/07):
(…) Der Dolmetscher ist aus der Staatskasse zu entschädigen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.08.2003, das auch auf Art. 6 I e Abs. EMRK ausdrücklich Bezug nimmt, hat jeder Ausländer im Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik Deutschland dieselben prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche. Danach darf auch ein Beschuldigter, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, in jedem Verfahrensstadium einen Dolmetscher hinzuziehen. Ob es dann tatsächlich zu einer Mandatierung kommt, ist nicht entscheidend. Vorliegend hatte der Verfolgte zwar schon zwei Wahlverteidiger. Gemäß Art. 137 Abs. 1 Satz 22 StPO wird aber dem Beschuldigten das Recht eingeräumt, drei Wahlverteidiger zu beauftragen. (…) Auf eine gerichtliche Beiordnung kommt es nicht an. Wenn der Beschuldigte vielmehr in der Lage ist, sich einen dritten Wahlverteidiger finanziell leisten zu können, dann steht ihm auch das Recht zu, sich zur Verständigung mit dem dritten Verteidiger, auch im Rahmen einer sog. Anbahnung, sich der Dienste eines Dolmetschers zu bedienen und die hierdurch entstandenen Kosten ersetzt zu bekommen. (…)

Besuchsüberwachung

Wenn die zuständige Justizbehörde Besuchsüberwachung anordnet, gehen die notwendigen Dolmetscherkosten zulasten der Staatskasse, etwa wenn der Beschuldigte mit seinen Familienmitgliedern in der Muttersprache redet. Da die Justizbehörde die Überwachung angeordnet hat, gilt sie als Auftraggeber. Auch dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) und aus Art. 3 III 1 GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland)

Hierzu exisitiert folgende Entscheidung:

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2003

(…) Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens. Auch die Brief- und Besuchskontrolle dient diesem Ziel, insbesondere der Verhinderung von Verdunkelungsmaßnahmen, Fluchtplänen oder sonstigen verfahrenswidrigen Handlungen; der Brief- und Besuchsverkehr darf zur Sicherung dieser Ziele eingeschränkt werden. Der Besuchsverkehr unterliegt unabhängig davon, ob ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist, bereits aus Gründen der Anstaltssicherheit und Anstaltsordnung einer so starken Reglementierung, dass die mangelnden Sprachkenntnisse der Inhaftierten nicht zu einer noch weiter gehenden Einschränkung des Besuchsrechts führen dürfen. Die in diesem Zusammenhang für Übersetzungsleistungen anfallenden Kosten sind also regelmäßig vom Staat zu übernehmen. Dies gilt in gleicher Weise für Briefe des inhaftierten Beschuldigten. (…)

 

Quellen:

Merkblätter des BDÜ und VbdÜ, Eigene Recherchen